Ein
Abrufarbeitsverhältnis i.S.d. § 12 TzBfG (früher § 4 BeschFG) liegt vor, wenn Lage
und/oder Dauer der Arbeitszeit des Arbeitnehmers nicht im Arbeitsvertrag
festgelegt sind, sondern von der Konkretisierung des Arbeitgebers durch Abruf
der Arbeitsleistung abhängen. Der Umfang der Arbeitszeit insgesamt muss
allerdings arbeitsvertraglich bestimmt sein. Außerdem hat der Arbeitgeber eine
viertägige Ankündigungsfrist einzuhalten sowie eine mindestens dreistündige
Arbeitsfrist.
Abgrenzungsprobleme:
Von
dem Abrufarbeitsverhältnis ist die Arbeitsbereitschaft, der Bereitschaftsdienst
und die Rufbereitschaft abzugrenzen.
Zur
Vertiefung:
Abrufarbeit =
Kapazittätsorientierte variable Arbeitszeit (=KAPOVAZ)
(Literatur: BUSCH, Aus
für die Arbeit auf Abruf?, NZA 2001, 593)
Unter
kapazitätsorientierter variabler Arbeitszeit versteht man die Möglichkeit des
Arbeitgebers, die Arbeitszeit dem jeweiligen Arbeitsanfall anzupassen. Bei
entsprechendem Arbeitskräftebedarf kann der Arbeitgeber die Leistung des
Arbeitnehmers abrufen. Typisch ist also das einseitige
Leistungsbestimmungsrecht des Arbeitgebers.
Durch die Möglichkeit
des Abrufs der Arbeitsleistung kann der Arbeitgeber auf langfristig nicht
vorhersehbare Schwankungen des Arbeitsanfalls flexibel reagieren. Er muss bei
geringerem Arbeitsaufkommen nicht Kurzarbeit anordnen oder gar kündigen und
umgekehrt bei höherer Auslastung zunächst keine neuen Arbeitnehmer einstellen.
3. Arbeitnehmerschutz
Jedoch ist aus Gründen
des Arbeitnehmerschutzes nicht jegliche Flexibilisierung und Anpassung an den
Arbeitsanfall zulässig. Anderenfalls müsste der Arbeitnehmer das
wirtschaftliche Risiko mittragen - hätte also kein regelmäßiges Einkommen -,
obwohl er keinen Einfluss auf die unternehmerischen Entscheidungen hat. Die
unmittelbaren Folgen wirtschaftlicher Schwankungen müssen allein den
Arbeitgeber treffen. Vertragsgestaltungen, die dies zu Lasten des Arbeitnehmers
ändern, sind daher grundsätzlich nicht zulässig.
Vereinbarungen, nach
denen der Arbeitgeber die Dauer der Arbeitszeit frei bestimmen können soll sind,
sowohl in Arbeits- als auch in Tarifverträgen unzulässig (BAG 12.12.1984 AP Nr.
6 zu § 2 KSchG 1969), weil hierin eine Umgehung des gesetzlichen Schutzes für
Änderungskündigungen (§ 2 KSchG ) liegt. Durch eine solche Vereinbarung könnte
der Arbeitgeber die Arbeitszeit beliebig reduzieren oder erhöhen und auf diese
Weise auch Einfluss auf die Vergütung und damit den Kernbereich des
Arbeitsverhältnisses nehmen, wenn die Vergütung nach Zeiteinheiten bemessen
wird. Die gegenseitigen Hauptpflichten sind daher einer einseitigen Bestimmung
durch den Arbeitgeber nicht zugänglich.
"Erhält der
Arbeitnehmer - wie hier - eine an den Umfang der Arbeitszeit anknüpfende
Vergütung, so wirken sich quantitative Veränderungen der Arbeitszeit
unmittelbar auf den Umfang der beiderseitigen Hauptleistungspflichten
(Vergütungs- und Arbeitspflicht) aus. Durch die einseitige Festlegung des
Umfangs der Arbeitszeit könnte der Arbeitgeber die Höhe der nach Zeiteinheiten
zu bemessenden Vergütung ebenso selbst bestimmen wie den Umfang der dem
Arbeitnehmer obliegenden Arbeitspflicht. Eine derartige einseitige Gestaltung
der beiderseitigen Hauptpflichten übersteigt die Grenzen des dem Arbeitgeber
zustehenden allgemeinen Weisungsrechts." (BAG 12.12.1984 AP Nr. 6 zu § 2
KSchG 1969)
Auch
Bandbreitenregelungen, bei denen der Arbeitgeber lediglich innerhalb einer
bestimmten Bandbreite die Arbeitszeitdauer verändern kann, sind nach der
Rechtsprechung des BAG (BAG 12.12.1984 AP Nr. 6 zu § 2 KSchG 1969) jedenfalls
im Einzelvertrag nicht zulässig. Auch hier könnte der Arbeitgeber einseitig die
gegenseitigen Hauptpflichten verändern.
6. Zulässigkeit der
Flexibilisierung der Arbeitszeitlage
Dagegen sind Vertragsgestaltungen,
bei denen der Arbeitgeber nur die Lage der Arbeitszeit nach den betrieblichen
Bedürfnissen festlegen kann, grundsätzlich zulässig.
Die flexible Anpassung
der Arbeitszeit an den Arbeitsbedarf liegt vornehmlich im Interesse des Arbeitgebers.
Um dem Schutzbedürfnis der Arbeitnehmer gerecht zu werden und um die
sozialverträgliche Gestaltung derartiger Arbeitsbedingungen zu sichern,
unterliegt das Direktionsrecht des Arbeitgebers gemäß § 12 TzBfG gewissen
Grenzen.
8. Wöchentliche und
tägliche Arbeitszeit
Gemäß § 12 Abs. 1 S. 2
TzBfG muss im Arbeitsvertrag eine bestimmte Dauer der Arbeitszeit, also der
Stundenumfang, festgelegt werden. Im Unterschied zu der früheren Regelung des §
4 Abs. 1 BeschFG , die einen Bezugszeitraum nicht enthielt, muss nunmehr eine
Vereinbarung über die wöchentliche und tägliche Arbeitszeit getroffen werden.
Dadurch soll dem Arbeitnehmer bei Abrufarbeit ein Mindestschutz zukommen, indem
er sich durch die Festlegung einer wöchentlichen und täglichen Arbeitszeit auf
ein festes wöchentliches Einkommen verlassen kann sowie keinen unzumutbaren
Belastungen durch viele kurze Arbeitseinsätze ausgesetzt wird (z.B. durch lange
Anfahrtswege).
Ginge man nun aber davon
aus, dass der Arbeitnehmer in jeder Woche genau so viele Stunden arbeiten muss,
wie im Vertrag festgelegt sind, wäre der Zweck des
§ 12 TzBfG , nämlich
eine Flexibilisierung der Arbeitszeit durch Anpassung an den Arbeitsanfall,
unerreichbar. Es ist daher sachgerecht, einen Ausgleichszeitraum von sechs
Monaten (dieser ergibt sich aus § 3 ArbZG für den Ausgleich von Überarbeit) für
zulässig zu erachten. So werden die Interessen beider Seiten angemessen
berücksichtigt: Der Arbeitnehmer kann sich wegen der Festlegung einer Wochenarbeitszeit
eines konstanten Einkommens sicher sein, auch wenn er nicht in jeder Woche die
angegebene Stundenzahl arbeiten muss, der Arbeitgeber kann auf schwankenden
Arbeitsanfall auch über einen mehrmonatigen Zeitraum hinweg durch
unterschiedliche Heranziehung des Arbeitnehmers reagieren.
10. 10-Stunden-Fiktion
Haben die Parteien keine
bestimmte Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit festgelegt, gilt eine
wöchentliche Arbeitszeit von zehn Stunden als vereinbart. Die Vereinbarung
einer Wochenarbeitszeit von weniger als zehn Stunden wird durch § 12 Abs. 1
TzBfG jedoch nicht ausgeschlossen. Die Fiktion des § 12 Abs. 1 S. 3 TzBfG
greift nämlich nur ein, wenn die wöchentliche Arbeitszeit nicht festgelegt
wurde.
Arbeitet der Arbeitnehmer
bei fehlender Vereinbarung einer bestimmten wöchentlichen Arbeitszeit
tatsächlich mehr als zehn Stunden pro Woche, verdrängt diese faktische
Konkretisierung der Arbeitspflicht die gesetzliche 10-Stunden-Fiktion. Es würde
gegen den vom Gesetz bezweckten Schutz des Arbeitnehmers verstoßen, von (nur)
zehn Wochenarbeitsstunden auszugehen, wenn sich in der Vergangenheit
tatsächlich eine längere Arbeitszeit herausgebildet hat (vgl. GK-TzA/MIKOSCH §
4 BeschFG Rn. 58; ErfK/PREIS § 12 TzBfG Rn. 20).
Haben die
Arbeitsvertragsparteien die tägliche Dauer der Arbeitszeit nicht festgelegt, so
ist der Arbeitgeber verpflichtet, den Arbeitnehmer jeweils für mindestens drei
aufeinanderfolgende Stunden zur Arbeitsleistung in Anspruch zu nehmen, § 12
Abs. 1 S. 4 TzBfG . Beschäftigt der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht für
mindestens drei Stunden, so ist er zur Zahlung des Arbeitsentgelts für drei
Stunden nach § 615 BGB ohne Rücksicht auf den Grund der Nichtinanspruchnahme
verpflichtet. Insoweit wird der arbeitsrechtliche Grundsatz "Kein Lohn
ohne Arbeit" modifiziert (ErfK/PREIS § 12 TzBfG Rn. 29).
Wie bei § 12 Abs. 1
TzBfG hinsichtlich der Wochenmindestarbeitszeit ist die
Mindestbeschäftigungszeit von drei Stunden täglich ebenfalls nicht zwingend.
Die Arbeitsvertragsparteien können kürzere Arbeitseinsätze vereinbaren. Der
Arbeitnehmer bedarf dann keines Schutzes, weil er sich von vornherein auf die
vereinbarte Arbeitszeit einstellen kann. § 12 Abs. 1 S. 4 TzBfG greift also -
wie § 12 Abs. 1 S. 3 TzBfG - nur ein, wenn die Parteien nichts anderes
vereinbart haben.
Um dem Arbeitnehmer die
Planung seines Arbeitseinsatzes zu ermöglichen, ist der Arbeitgeber gemäß § 12
Abs. 2 TzBfG verpflichtet, ihm die Lage seiner Arbeitszeit jeweils mindestens
vier Tage im Voraus anzukündigen. Hält der Arbeitgeber diese Abruffrist, die
sich nach den allgemeinen zivilrechtlichen Regelungen errechnet (§§ 186 ff. BGB
), nicht ein, so kann der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung verweigern, muss
es aber nicht.
Gemäß § 12 Abs. 3 TzBfG
ist es den Tarifvertragsparteien erlaubt, auch zuungunsten der Arbeitnehmer von
den Regelungen des § 12 Abs. 1 und 2 TzBfG abzuweichen. Voraussetzung dafür ist
allerdings im Unterschied zum früheren § 6 BeschFG, dass der Tarifvertrag
Regelungen über die tägliche und wöchentliche Arbeitszeit und die
Ankündigungsfrist enthält. Ob damit auch Bandbreitenregelungen, die von der
Rechtsprechung bislang allgemein für zulässig erachtet wurden (vgl. etwa BAG
12.3.1992 AP Nr. 1 zu § 4 BeschFG 1985 m.w.N.), ausgeschlossen sind, ist
unklar. Der Wortlaut des § 12 Abs. 3 TzBfG schließt Bandbreitenregelungen nicht
von vornherein aus. Erforderlich ist lediglich, dass der Tarifvertrag überhaupt
Regelungen der täglichen und wöchentlichen Arbeitszeit enthält. Wie genau die
tägliche und wöchentliche Dauer festgelegt sein muss, schreibt das Gesetz nicht
vor.