Als Beruf i.S.d. Art. 12 GG ist jede auf Dauer angelegte Tätigkeit zu betrachten, die zu Erwerb oder Sicherung des Lebensunterhalts dienen soll.
Die Berufsfreiheit wird durch Art. 12 Grundgesetz (GG) und sie gewährleistet und vermittelt dem Einzelnen das Recht, jede Arbeit, die er für sich als geeignet ansieht, als "Beruf" zu ergreifen (Berufsausübung). Ferner garantiert Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG neben der Berufsausübung auch freien Wahl des Berufs (Berufswahl) und die freie Wahl des Arbeitsplatzes* (Arbeitsplatzwahl).
Diese verfassungsrechtlichen Gewährleistungen schützen nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) sowohl die Wahl als auch den Bestand eines konkreten Arbeitsverhältnisses. In diese Freiheiten darf staatlich nur aufgrund eines Gesetzes eingegriffen werden. Diese Gesetze müssen zudem dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in Form der vom BVerfG entwickelten Drei-Stufen-Theorie* genügen
(BVerfG v. 07. November 1972; BVerfG 24.4.1991 AP Nr. 70 zu
Art. 12 GG).
Die Berufsfreiheit des Art. 12 GG gilt sowohl für die Arbeitnehmer wie auch für die Arbeitgeber, sie hat dann nur unterschiedliche Auswirkungen.
Zugunsten des Arbeitnehmers hat die Berufsfreiheit in unterschiedlichen gesetzlichen Regelungen ihren Niederschlag gefunden und spielt in der Rechtsprechung in zahlreichen Fallkonstellationen eine Rolle. So schützt § 1 KSchG den Arbeitnehmer vor der Beendigung des von ihm gewählten Arbeitsverhältnisses durch arbeitgeberseitige Kündigung (Bestandschutz). Vielfältig sind die Fälle, in denen die Rechtsprechung Art. 12 GG als Prüfungsmaßstab für individualvertragliche Vereinbarungen angewendet hat. So setzt diese Grundrechtsnorm - vermittelt durch § 242 BGB (Schutzgebotsfunktion der Grundrechte) - etwa Regelungen Grenzen, die den Arbeitnehmer zur Rückzahlung von Aus- oder Fortbildungskosten verpflichten, wenn er vor Ablauf einer vereinbarten Frist sein Arbeitsverhältnis kündigt
(BAG v. 30. 11. 1994, DB 1995, 1283; BAG v. 16. 03. 1994, DB 1994, 1726; BAG v. 24. 07. 1991, AP Nr. 16 zu § 611 BGB; BVerfG v. 09. 02. 1994, BVerfGE 42, 143, 148).
Auch Wettbewerbsverbote, die für die Zeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses vereinbart werden, müssen sich an der Berufsfreiheit des Arbeitnehmers messen lassen. Gleiches gilt für Nebentätigkeitsverbote während des Bestands des Arbeitsverhältnisses.
Zugunsten des Arbeitgebers fällt bei Art. 12 GG dessen Gewerbefreiheit sowie die freie
unternehmerische Entscheidung, mit wie vielen und welchen Mitarbeitern er sein Unternehmen führen will, ins Gewicht. Dabei sind die notwendigerweise kollidierenden Grundrechtspositionen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer in einen gerechten Ausgleich zu bringen, was im Bereich des Kündigungsrechts durch das KSchG geschieht.
Einfachrechtliche Ausprägungen des Art. 12 GG
Die Berufsfreiheit ist zugunsten des Arbeitnehmers in unterschiedlichen Gesetzen als einfachrechtliche Ausprägung des Art. 12 GG verankert und spielt insoweit auch in der Rechtsprechung eine entscheidende Rolle:
►Als einfachgesetzliche Ausprägung der Berufsfreiheit ist beispielsweise
Zunächst § 624 BGB zu nennen:
Diese Norm gewährt einem Arbeitnehmer, der ein befristetes (und deshalb ordentlich nicht kündbares) Arbeitsverhältnis für eine Zeit von mehr als fünf Jahren eingegangen ist, nach Ablauf von fünf Jahren ein Kündigungsrecht.
►Auch § 5 Abs. 1 S. 1 BBiG dient der Wahrung der Berufsfreiheit:
Diese Bestimmung erklärt eine Vereinbarung für nichtig, die den Auszubildenden für die Zeit nach Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses in der Ausübung seiner
beruflichen Tätigkeit beschränkt.
Während also die Bestimmungen der § 624 BGB, § 5 Abs.1 Satz 1 BBiG dem
Arbeitnehmer die Freiheit gewähren, ein von ihnen gewähltes Arbeitsverhältnis selbst zu beenden, schützt eine andere Bestimmung, den Arbeitnehmer vor der Beendigung des von ihm gewählten Arbeitsverhältnisses durch eine arbeitgeberseitige Kündigung: es handelt sich namentlich um den
►§ 1 KSchG.
Rückzahlungsklauseln
In der praktischen Arbeitswelt kann man auf eine Vielfalt von individualvertraglicher Vereinbarungen treffen, in denen Arbeitgeber bestimmte materielle Leistung vom Fortbestand des Arbeitsverhältnisses abhängig machen. Dies geschieht entweder durch Rückzahlungsklauseln oder Vorbehaltsklausel.
Da mit solchen Klauseln die Freiheit der Berufsauswahl der betroffenen Arbeitnehmern gravierend beschnitten wird, hat die Rechtsprechung bei der Prüfung der Rechtfertigung sowie des zulässigen Ausmaßes Art. 12 GG als Prüfungsmaßstab angewendet.
Die Regelungsbefugnis nach Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG erstreckt sich auf Berufsausübung und
Berufswahl. Sie betriff vornehmlich die Berufsausübung und nur eingeschränkt die Berufswahl. Sie darf daher nur unter dem Blickpunkt der Berufsausübung in die Freiheit der Berufswahl eingreifen (BVerfG v. 07. November 1972).
Der Gesetzgeber darf daher in diese Gewährleistungen des Art. 12 GG nach folgenden vom BVerfG entwickelten Grundsätzen Eingreifen:
a) Grundsatz die Berufsausübung betreffend
Die Freiheit der Berufsausübung kann nur beschränkt werden, soweit vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls es zweckmäßig erscheinen lassen; der Grundrechtsschutz beschränkt sich auf die Abwehr in sich verfassungswidriger, weil etwa übermäßig belastender und nicht zumutbarer Aufgaben.
b) Grundsatz die Berufswahl betreffend
Die Freiheit der Berufswahl darf nur eingeschränkt werden, soweit der Schutz besonders
wichtiger Gemeinschaftsgüter es zwingend erfordert. Ist ein solcher Eingriff unumgänglich, so
muss der Gesetzgeber stets diejenige Form des Eingriffs wählen, die das Grundrecht am wenigsten
beschränkt.
Wird in die Freiheit der Berufswahl durch Aufstellung bestimmter Voraussetzungen für die
Aufnahme des Berufs eingegriffen, so ist zwischen subjektiven und objektiven Voraussetzungen
zu unterscheiden:
(1) Subjektive Voraussetzungen
Für die subjektiven Voraussetzungen (insbesondere Vor- und Ausbildung) gilt
das Prinzip der Verhältnismäßigkeit in dem Sinne, das sie zu dem angestrebten Zweck der
ordnungsgemäßen Erfüllung der Berufstätigkeit nicht außer Verhältnis stehen dürfen.
(2) Objektive Voraussetzungen
An den Nachweis der Notwendigkeit objektiver Zulassungsvoraussetzungen sind besonders strenge
Anforderungen zu stellen; im allgemeinen wird nur die Abwehr nachweisbarer oder höchst
wahrscheinlicher schwerer Gefahren für ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut diese
Maßnahme rechtfertigen können.
c) Verhältnismäßigkeit i.e.S.
Regelungen nach Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG müssen stets auf der "Stufe" vorgenommen werden,
die den geringsten Eingriff in die Freiheit der Berufswahl mit sich bringt; die nächste "Stufe" darf
der Gesetzgeber erst dann betreten, wenn mit hoher Wahrscheinlichkeit dargetan werden kann,
dass die befürchteten Gefahren mit (verfassungsmäßigen) Mitteln der vorausgehenden "Stufe"
nicht wirksam bekämpft werden können.
Beispiel:
So setzt Art. 12 GG - vermittelt durch § 242 BGB - etwa Regelungen Grenzen, die den Arbeitnehmer zur Rückzahlung von Aus- oder Fortbildungskosten verpflichten, wenn er vor Ablauf einer vereinbarten Zeitspanne sein Arbeitsverhältnis kündigt.
Dabei sind die Grenzen, in denen eine Rückzahlungspflicht bestehen kann, nicht einheitlich.
Sie bestimmen sich nach den Umständen des Einzelfalls
(BAG 24.7.1991 AP Nr. 16 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe).
BAG v. 14. 06. 1995 Gratifikation, Prämie
Zahlungsverpflichtungen, die an die vom Arbeitnehmer ausgehende Kündigung anknüpfen, können das Grundrecht auf freie Wahl des Arbeitsplatzes nach Art. 12 GG beeinträchtigen.
Deshalb kommt es darauf an, ob den möglichen Nachteilen für den Arbeitnehmer ein angemessener Ausgleich gegenübersteht.
Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen. Die Rückzahlungspflicht muss vom Standpunkt eines verständigen Betrachters aus einem begründeten und zu billigenden Interesse des Arbeitgebers entsprechen; der Arbeitnehmer muss mit der Ausbildungsmaßnahme eine angemessene Gegenleistung für die Rückzahlungsverpflichtung erhalten haben.
(BAG 24.7.1991 AP Nr. 16 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe).
Wettbewerbs- und Nebentätigkeitsverbote
Auch Wettbewerbsverbote, die für die Zeit nach Beendigung des
Arbeitsverhältnisses zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbart
werden, müssen sich an der Berufsfreiheit des Arbeitnehmers messen
lassen. Gleiches gilt für Nebentätigkeitsverbote
während des Bestands des Arbeitsverhältnisses.
Regelungen im Einigungsvertrag
zum öffentlichen Dienst
Schließlich sind arbeitsrechtliche Regelungen des Einigungsvertrags unter
dem Gesichtspunkt des Art. 12 GG der verfassungsrechtlichen Prüfung
unterzogen worden. Die Vorschriften des Einigungsvertrags, nach denen die
Arbeitsverhältnisse der im öffentlichen Dienst Beschäftigten der ehemaligen
Deutschen Demokratischen Republik unter bestimmten Voraussetzungen
ruhen und beendet wurden ("Warteschleife"), erwiesen sich als im
wesentlichen verfassungskonform. Das Bundesverfassungsgericht hielt
fest, daß die Warteschleifenregelung nur zur Sicherung eines entsprechend
wichtigen Gemeinschaftsguts zulässig ist, da sie ebenso wie eine objektive
Zulassungsschranke in die Freiheit der Arbeitsplatzwahl eingreift
(BVerfG 24.4.1991 AP Nr. 70 zu Art. 12 GG)
Das in Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistete Grundrecht auf freie Wahl des Arbeitsplatzes schützt den Einzelnen in seinem Entschluss, eine konkrete Beschäftigungsmöglichkeit in dem gewählten Beruf zu ergreifen, beizubehalten oder aufzugeben. Dagegen ist mit der Wahlfreiheit kein Anspruch auf Bereitstellung eines Arbeitsplatzes verbunden. Wenn eine Regelung in die freie Wahl des Arbeitsplatzes mit ähnlicher Wirkung eingreift wie eine objektive Zulassungsschranke in die Freiheit der Berufswahl, ist sie nur zur Sicherung eines entsprechend wichtigen Gemeinschaftsguts unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zulässig.
(BVerfG 24.4.1991 AP Nr. 70 zu Art. 12 GG)