Die Lehre vom Betriebsrisiko stellt eine in richterlicher Rechtsfortbildung entwickelte Ausnahme zu den
Grundsätzen des § 326 Abs. 1 BGB "Ohne Arbeit kein Lohn" und des § 614 BGB „erst Arbeit dann Lohn“ dar. Sie greift in den Fällen ein, in denen wegen einer beiderseitig unverschuldeten Betriebsstörung die Erbringung der Arbeitsleistung unmöglich ist. Nach der Betriebsrisikolehre trägt der Arbeitgeber die Risiken aus dem betrieblichen Bereich, da er den Betrieb leitet und organisiert. Als Folge dieser Risikoverteilung muss der Arbeitgeber beim Eintritt unverschuldeter Betriebsstörungen den Lohn an die Arbeitnehmer weiter zahlen.
Mit anderen Worten: Betriebsrisiko ist Lohnzahlungsrisiko des Arbeitgebers bei zufälliger
Unmöglichkeit der Arbeitsleistung.
Das BAG geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass auf Seiten des Arbeitgebers das Betriebsrisiko zu berücksichtigen ist
((BAG AP Nr. 4 zu §§ 898,
899 RVO;BAG AP Nr. 55 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers, BAG AP
Nr. 58 zu § 611 BGB
Haftung des Arbeitnehmers, AP
Nr. 97 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers; BAG AP Nr. 6 zu
§ 611 BGB
Gefährdungshaftung des
Arbeitgebers; BAG AP Nr. 7 zu § 611 BGB Gefährdungshaftung des
Arbeitgebers; BAG AP Nr. 93 zu
§ 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers).
Diese Rechtsprechung geht allerdings noch von weiteren, die Haftungserleichterung der Arbeitnehmer einschränkenden, Voraussetzung des Vorliegens einer gefahrgeneigten Tätigkeit aus.
Der Große Senat des BAG hat allerdings diese Beschränkung der Haftungserleichterung inzwischen
aufgegeben,
„... weil sonst Arbeitnehmer, die keine gefahrgeneigte Tätigkeit ausüben,
bei Verletzung
arbeitsvertraglicher
Pflichten grundsätzlich den gesamten Schaden des Arbeitgebers tragen müssten.
Dies
ist im Hinblick auf das dem Arbeitgeber auch bei nicht gefahrgeneigter Arbeit
zuzurechnende
Betriebsrisiko
und seine Befugnis zur Organisation des Betriebs und zur Gestaltung der
Arbeitsbedingungen nicht gerechtfertigt.“
Die Gefahrgeneigtheit der Arbeit wird aber für die Gewichtung der Abwägungsfaktoren - des
Verschuldens auf der einen und des Betriebsrisikos auf der anderen Seite - im Rahmen einer
Abwägung nach § 254 BGB von Bedeutung bleiben
(BAG,
Beschluß vom 27. September 1994 - GS 1-89).
Rechtsprechung:
BAG, Urteil vom 30. Januar 1991 - 4 AZR
338/90.